Thomas K hat geschrieben:[auch wenn meine kürzlich gemachten Erfahrungen nur zum Teil mit Deiner Frage zu tun haben, seien sie hier kurz erwähnt:
Ich hatte ein Konzert mit einem 20stimmigen Vokalensemble (Laien, aber gehobenes Niveau) und einem 10köpfigen Orchester (Profis) aufzunehmen.
Es ging um Bachkantanten und a capella Musik zeitgenössischer Komponisten (Pärt, Nystedt, Arnesen).
Bei lediglich zwei Stücken gab es eine Tutti-Begleitung des Orchesters, ansonsten b.c. Begleitung und ein Streichquartett.
Und dieses Streichquartett hatte mir im Vorfeld etwas Sorgen gemacht, da es am äußersten linken Rand des Orchester-Halbkreises saß, in sich noch etwas eingedreht.
Ursprünglich hatte ich vor, Chor und Orchester komplett durchzumikrofonieren. Da der Chor teilweise 7stimmig gesungen hat, plante ich insgesamt 19 Mikrofone (Hauptmikrofon als A/B und Stützen). Bis die Chorleiterin mich 3 Wochen vor dem Konzert nach einem Probenwochenende anrief und mich händeringend bat, die Anzahl der Mikros auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Sie hatte Angst vor der Nervösität des Chores und auch der Musiker bei vielen, eben auch optisch präsenten Mikrofonen.
Und so habe ich - gewissermaßen aus der "Not" heraus - etwas probiert, was ich schon immer ausprobieren wollte, aber, getreu dem Motto: "Nichts ändern von dem man weiß, dass es auf jeden Fall funktioniert" bislang eben nie gemacht habe:
Ich habe mit insgesamt nur 5 Mikros gearbeitet, einem Decca Tree und zwei Outriggern. Wobei der Decca Tree klasisch aufgestellt war, ins Orchester hinein, Basis ca. 2m, das Mittenmikro ca. 1,50m von der vorderen Grundlinie entfernt. Höhe jeweils 3,10m. Zum Einsatz kamen Kugeln.
Die Outrigger habe ich etwas exotisch eingesetzt, nicht auf der selben Grundlinie wie die vorderen Decca-Mikros (das Orchester war bei 10 Musikern lediglich einreihig im Halbkreis) sondern als Stützen links und rechts außen vor dem Chor, also hinter dem Orchest. Höhe hier ebenfalls ca. 3m, zum Einsatz kamen Nieren.
Das Ergebnis hat mich mehr als positiv überrascht. Eine Räumlichkeit und Tiefenstaffelung, wie ich sie bislang noch mit keiner A/B oder EBS-Anordnung hingekommen habe. Die beiden Chorstützen wurden mit -10dB nur soviel dazugefahren, dass der Chor akustisch gerade eben an den äußeren Rändern der Stereobasis auftauchte. Auch die reinena capella Stücke klangen räumlich, in der Basis sehr gut aufgelöst und trotzdem präsent.
Und das Streichquartett? Es kam zwar von links, aber war dort nicht "festgeklemmt", sondern kam auch aus dem Raum,füllte so ca. 2/3 der Basis aus und klang ebenfalls sehr räumlich, ohne dass Transparenz, Durchsichtigkeit oder Deutlichkeit gelitten hätten.
Für mich ist nach diesen Erfahrungen der Decca-Tree definitiv mehr als nur eine Alternative.
Mal sehen, am nächsten Wochendende steht ein großorchestrales Konzert auf dem Programm: 85 Orchestermusiker mit Werken von Schostakowitsch und Korngold. Da werde ich den Decca Tree wieder einsetzen. Dann aber mit klassischen Outriggern und vielen Stützen.
Bin selber gespannt, wie es wird.
Gruß
Thomas
Moyn Zusammen, moyn Thomas!
ich lese immer wieder über den Decca Tree und dass dieses Verfahren sehr gute klangliche Ergebnisse, insbesondere bei der Tiefenstaffelung, liefert. Allerdings sieht es so aus, dass dieses Verfahren nicht so ganz einfach von der Handhabung und dem Aufbau ist. Ich schreibe mal, was ich grundsätzlich dazu verstanden habe und formuliere dann meine offenen Fragen:
1. Der Decca Tree ist eine Anordnung von Mikrofonen in einem Dreieck, wobei das Centermikrofon hinter dem Dirigenten und die Mikrofone für Links und Rechts im Orchester platziert werden, wobei der Abstand der Mikrofone im Tree nicht weniger als 1m betragen sollte, eigentlich 3 Feet also 91,44 cm. Standardmäßig sind die Mikrofone für links und rechts 2 Meter voneinander entfernt, das Centermikrofon von der Linie dieser Mikrofone 1,5 Meter. Abstände sind aber variabel
2. Die Höhe der Mikrofone sollte zwischen 3 und 4 Meter übe dem Klangkörper liegen.
3. Als Mikrofone werden Druckempfänger eingesetzt.
4. Um die Mikrofone für Links und Rechts unabhängig platzieren zu können, sollte man diese besser auf einzelnen Stativen anbringen.
5. Zur Unterstützung des Klanges/der Räumlichkeit sollte man Outrigger einsetzen, di bei einem Orchester 2/3 links bzw. Rechts auf der Frontseite aufgestellt werden.
6. Outriger und Seitenmikrofon werden vom Panning ganz links bzw. ganz rechts im Stereobild zugeordnet.
7. Die Mikrofone im Tree werden auf den gleichen Pegel ausgesteuert, also das Centermikrofon nicht etwa vom Pegel abgesenkt.
8. Was habe ich vergessen?
Da dieses Verfahren auch bei der Mikrofonierung von Kammermusik gut einsetzbar scheint, was ja eher mein vorrangiges Betätigungsfeld ist, interessiert mich der Decca Tree sehr.
Zu 1. Wie sieht das bei einer Kammermusikaufnahme aus, nimmt man da erst mal den Standardwert von 2 Metern und verkleinert oder nimmt man da gleich eine kleinere Mikrofonbasis? Müssen bei einer Veränderung der Größenverhältnisse des Trees die Verhältnisse des Dreiecks beibehalten werden oder ist das egal?
Richtet man für die Mikrofone auch ein Delay ein, also im Verhältnis Abstand der Seitenmikrofone zu Centermikrofon?
zu 2. Ich habe hier im Forum gelesen, dass die 3 bis 4 Meter Höhe nicht zwingend sind. Irgendwo stand auch etwas von 170 cm, was aber wohl bei einer Kammermusikaufnahme gewesen zu sein scheint, was mir bei einem kleinen Ensemble auch sinnig vorkommt. Wie sind da Eure Erfahrungen.
zu 3. Wenn man die Kugelmikrofone im Tree durch Nieren ersetzt, erhält man in Verbindung mit den Outriggern einen Fokuda Tree. Gibt es damit Erfahrungswerte? Problem ist ja, dass die Kugeln sehr stark den Raum einfangen. Wenn man Aufnahmen in einem leeren Saal macht, der nicht über entsprechend gepolsterte Stühle verfügt (habe ich sehr häufig), muss man einiges an Aufwand betreiben und die Akustik so anzupassen um auf der Aufnahme einen nicht zu stark verhallten Klang zu bekommen. Wenn die Nieren im Fokuda Tree den Saal etwas herausnehmen, müsste man bei der Anpassung der Saalakustik weniger Aufwand betreiben. Voraussetzung ist aber ein annähernd gleichwertiges klangliches Ergebnis.
zu 5. Werden die Outrigger einfach vor das Orchester gestellt oder in einer Linie mit dem Centermikrofon oder ist das egal? Setzt man bei Kammermusikaufnahmen dann auch Outrigger ein? Die Ensembles haben ja keine so große Ausdehnung wie ein Orchester.
6. Das Panning für die Outrigger und die Seitenmikrofone soll beides auf ganz links bzw. ganz Rechts gesetzt werden. Das kommt mir irgendwie komisch vor, weil die Mikrofone ja eine andere Position vor dem Orchester haben.
Generell zum Panning. Bei Phantomschallquellen hat man ja bei 20 bis 25 DB bereits eine vollständige Zuordnung für links bzw. rechts, wenn ich in Sequoia den Regler für Pan drehe, ist der Maximalwert aber 90 DB. Wenn man die Kanäle in einer Stereospur einordnet dürfte der Pegelunterschied auf dem Level des Wertes für die Kanaltrennung liegen. Was ist hier richtig?
Die drei Spuren des Tree sollte man dann sicher gleich in einer Stereospur ablegen, damit man auch das klangliche Ergebnis entsprechend einschätzen kann. Da man keine Pegeländerungen vornimmt, macht ein getrenntes Speichern hiersicher keinen Sinn.
Wie ist es aber mit den Outriggern? Mischt Ihr die auch in die Stereospur oder getrennt davon?
Freue mich über informative Antworten und über die weiteren Erfahrungen von Thomas
Manfred